Zdenko Fibich: Melodramatische Compositionen

Carl Ludwig Richter

Nun treten wir an ein Kunstgebiet, in welchem der böhmische Tondichter sich als unbestrittener erwiesen hatte. Es ist das Melodrama.

Das Melodrama im modernen Sinne, in seiner höchsten Entfaltung und in der konsekventesten Durchführung aller Principien ist Fibich's Werk.

Er hatte den Höhepunkt dieser interessanten Musikgattung erreicht und ein ideales Ziel festgesetzt, auf das von nun an alle ihr Augenwerk richten müssen, die etwas Werthvolles in diesem Bereiche hervorbringen wollen.

Nebst dem grossen, auf drei Abende vertheilten scenischen Melodrama "Hippodamia", --- einer der monumentalsten und originellsten Künstlerthaten der modernen Zeit, --- welches wir später des näheren berühren werden, schrieb Fibich noch sechs für den Konzertgebrauch bestimmte Melodramen; und zwar vier mit Klavierbegleitung: "Der Weinachtstag" ("Štědrý Den"), "Der Blumen Rache" ("Pomsta květin"), "Die Ewigkeit" ("Věčnost"), "Königin Emma" ("Královna Emma"); zwei mit Orchesterbegleitung: "Der Wassermann" ("Vodník") und "Hakon".

Diese viel gegebenen Compositionen, welche insgesammt einen ausgewählten, neuen künstlerischen Genuss gewählten, waren es, welche zuerst dem Namen Fibich's in seinem Vaterlande Klang verschafften. in der Form anfangs an die Melodramen Schumann's sich anschliessend, gab er immer mehr und mehr der ununterbrochenen organischen Zusammenhang, namentlich durch thematische Arbeit nach Art des dramatischen Leitmotivs. Da er nun bei den beiden obgenannten Melodramen die Klavierbegleitung mit den Orchester vertauschte und der letzten dieser konzertmässigen Compositionen, dem "Hakon", unmittelbar "Perop's Brautwerbung", den ersten Theil der scenischen melodramatischen Trilogie folgen liess, ist wohl mit Recht anzunehmen, dass er diese Werke als Vorstudien zu jener dramatischen Grossthat ansah und diese schon von Anfang an im Auge hatte.

Was die einzelnen Melodramen betrifft, findet sich in drei derselben ein eminent nationaler Ton angeschlagen, der, wie Dr. Hostinský hervorhebt, ein speciell Fibich'scher ist, und zwar der rechte und echte Ton der Volksballade. Dies sind: "Der Weinachtstag", "Der Wassermann" und "Die Ewigkeit".

Wollen wir nun die einzelnen Werke kurz charakterisieren, werden wir uns nicht an ihre Chronologie halten, sondern zuerst diese nationale Gruppe betrachten.

"Der Weinachtstag" führt uns aus der trefflich gemalten Erstarrung der Winterlandschaft in die behagliche Wärme einer Spinnstube. Ein reizendes Polkamotiv von Trillerkettchen durchzogen, und von Gegenmelodien erfrischt, bietet eine prächtige Charakteristik der anmuthigen volksthümlichen Scene. Das kurze Motiv, welches die Schilderung der Weinachtsgebräuche begleitet, wie das innige Thema, welches den beiden jungen Mädchen, deren Schicksal vom Weinachtsorakel offenbart wird, beigelegt ist, sind echte Perlen aus dem Volksliederschatz. Dem Nationalliede zwar nicht unmittelbar entnommen, aber in seinem Sinne entworfen. Der Hochzeitszug des einen Mädchens, der Todtensang des Andern sind mit trefflicher Charakteristik und Lebendigkeit dargestellt, und das tiefernste Austönen des Ganzen ist von erschütternder Wirkung.

"Der Wassermann" zerfällt in 4 Abtheilungen. Die erste athmet eine wunderbare Abendstimmung, in welcher des Lied des Wassermannes ertönt, umspielt von Harfenakkorden, Violintönen mit Sordinen und von markanten Figuren der Flöten und Clarinetten. Gegen den Schluss verdüstert sich die Stimmung und ein unheimliches Tremolo deutet den tückischen Charakter des Wassergeistes an. Ein Thema von reizender Einfachkeit schildert uns sein unglückliches Opfer in der zweiten Abtheilung. Des Mädchens Zwiegespräch mit der warnenden Mutter, dessen Versinken in den Teich, das dämonische Aufjauchzen des Wassermannes, alles dies wird scharf und plastisch geschildert. Die dritte Abtheilung führt uns in des Wassermannes, Hof, in die kühle, dunkle Tiefe des Teiches. Wie unsäglich traurig klingen die tiefen Bläser mit Harfenklängen vermischt, wie rührend das Wiegenlied, wie scharf charakterisiert der Dialog zwischen dem armen Wiebe und dem finsteren Beherrscher des Wassers! Der letzte Theil bringt in seinem Anfang eine Melodie von ausserordentlicher Innigkeit, das Wiedersehen von Tochter und Mutter malend. Was darauf folgt, ist Alles hoch dramatisch und gipfelt in erschütternder Tragik. Schon in diesem Werke ist die Instrumentation so meisterhaft, dass sie nie dem Deklamator Fesseln anlegt unt ihn nirgend störend deckt. Die Aufführung dieses Werkes war stets von ausserordentlichem Erfolg begleitet.

Wenn wir uns über die übrigen Melodramen kürzer fassen, so liegt es nicht in ihrem geringeren Werthe, sondern nur darin, dass die Methode Aller doch im Grunde genommen dieselbe sein musste, und dies darzustellen genügten eben jene zwei Beispiele. Überdies, selbst die ausführlichste Beschreibung ersetzt nicht ein einmaliges kurzes Durchspielen. Wir können nicht umhin, die Bekanntschaft mit diesen höchst interessanten Werken auf das wärmste anzuempfehlen. Nur einige Schlagworte noch über die Anderen:

"Die Ewigkeit" gehört noch zur Gruppe der im nationalen Stile geschriebenen Melodramen. Das Sturmmotiv, des Kindes Gebet, dessen unschuldige Fragen, der versöhnende Schluss, dies Alles ist trefflich und äusserst wirkungsvoll. In "der Blumen Rache" folgt die poesiereiche Musik in fantastischen Klängen und reichen Figuren den wechselnden Bildern des bekannten Freiligrath'schen Gedichtes. Das Ganze ist ein Stük von bezaubernden Klangwirkungen. "Die Königin Emma" ist formell bereits auf der Höhe dessen, was Fibich als Ideal des Melodramas vorschwebte. Hier ist von Anfang bis zu Ende keine Unterbrechung der musikalischen Begleitung; auch ohne Deklamation ergiebt diese ein selbständiges schönes Ganze. "Hakon" der unmittelbare Vorläufer der scenischen Melodramen, zeichnet sich sowohl in der Themenbildung, wie auch in der Instrumentation, durch seltene Vornehmheit aus. Von einem gewiegten Deklamator vorgetragen, und was unerlässlich ist, von einem vorzüglichen Orchester begleitet, wirkt diese Composition geradezu fascinierend, wie der Schreiber dieser Zeilen selbst bezeugen kann, da er vor Jahren einer Aufführung dieses Werkes im böhmischen Nationaltheater anwohnte. Noch sei erwähnt, dass Fibich's Vorgang eine ganze Reihe Nachahmungen in Böhmen hervorgerufen hatte. So liegen Melodramen von Kovařovic, Nešvera, Förster, Macan, Jílek und Anderen im Drucke vor.



カール・ルートヴィヒ・リヒター著「ズデンコ・フィビヒ」(1900年) P.50-54 (ドイツ語文献)
Carl Ludwig Richter "Zdenko Fibich" (1900)

Back to Index